Antriebsgelenkscheiben
Antriebsgelenkscheiben sind nicht schaltbare, elastische, spielfreie Kupplungen. Sie verfügen auf Grund ihres Aufbaus über elastische Eigenschaften und werden für gewöhnlich zur Drehmomentübertragung eingesetzt.
Der typische Aufbau von Antriebsgelenkscheiben ist eine Kombination aus gewickelten Fadenpaketen und elastischem Material, meist Gummi. Das verwendete Material und die Konstruktion erzeugen Kupplungseigenschaften, die sich deutlich von denen der bekannten Hardy-Scheiben und Voll-Elastomerkupplungen unterscheiden.
Die Antriebsgelenkscheibe kombiniert auf Grund ihres Aufbaus diverse Vorteile anderer Kupplungssysteme.
Hardyscheiben
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Hardyscheiben meist schlicht Gelenkscheiben genannt. Im Gegensatz zu Antriebsgelenkscheiben werden Hardyscheiben oft nur aus Gummi oder anderen elastischen Materialien gefertigt und mit einer einfachen und ungerichteten Fadenverstärkung, beispielsweise Textilgewebe, kombiniert.
Hardyscheiben werden in Antriebswellen eingesetzt, wobei die Anbindung über gefügte und mit Halteblechen, sogenannte Blechknöpfe, verpresste Metallbuchsen erfolgt. Hier sorgen sie dafür, dass Fluchtfehler und leichte Versätze ausgeglichen werden. Dank ihres Aufbaus werden aber auch Stöße, die beim Wechsel der Drehzahl oder beim Anlauf der Welle auftreten können, abgefangen und gedämpft.
Um den Einsatz von Hardyscheiben auch effektiv und optimal zu gestalten, werden sie häufig mittels einer Zentrierung radial abgestützt. Gerade bei schnell drehenden oder besonders langen Wellen ist dies zwingend erforderlich, um die Unwucht gering zu halten.
Hardyscheiben werden immer mittels der gefügten Buchsen mit den zu verbindenden Wellen verschraubt. Im Wechsel wird je eine Buchse mit der Antriebswelle und eine andere Buchse mit der Abtriebswelle verbunden.
Der vornehmlich im deutschen Sprachgebrauch übliche Name geht auf den Engländer John Leslie Hardy zurück, der durch seine Firma HARDY SPICER & CO LTD die Konstruktion 1938 als Erfinder beim Königlichen Patentamt in Großbritannien unter der Nummer GB497903 eintragen ließ. Im Englischen wird die Scheibe oft nur als „flexible joint disc“ oder „flex disc“ bezeichnet, ohne auf Hardy einzugehen.
Bild 1: Hardyscheibe mit Textilgewebe
Voll-Elastomerkupplung
Voll-Elastomerkupplungen werden als Element zur Dämpfung von Schwingungen und Stößen auf besonders dafür anfällige Bauteile und Anwendungen verwendet. Das Verbindungselement, über das auch die Übertragung des Drehmoments erfolgt, besteht vollständig aus dem namengebenden Elastomer. So werden gute Dämpfungseigenschaften erzielt.
Je nach schwingungstechnischer Anforderung werden diese Kupplungen in verschiedenen Shorehärten und Formen angeboten, wobei die Abstimmung ausschließlich über das verwendete Elastomerelement erfolgt.
Abhängig vom Kupplungssystem werden Druckpuffer, Elastomerkränze und schubbelastete Elastomerfedern eingesetzt. Auch hier muss für den jeweiligen Anwendungsfall eine individuelle Anpassung vorgenommen werden. Für Fälle, in denen eine hohe Torsionssteifigkeit gewünscht ist, wird Elastomer mit großer Shorehärte verwendet. Für eine niedrige Torsionssteifigkeit kommt Elastomer mit geringer Shorehärte zum Einsatz. Voll-Elastomerkupplungen haben eine materialspezifische Belastungsgrenze.
Reicht der Platz zum Einsatz einer entsprechend großen Voll-Elastomerkuppung nicht aus, oder ist die Drehzahl schlicht zu hoch, so kommen mit Fäden oder Metall verstärkte Elastomerkupplungen zum Einsatz, beispielsweise Antriebsgelenkscheiben oder Laschenkupplungen. Hier wird das Drehmoment über innen liegende Fadenpakete übertragen und das Elastomer übernimmt lediglich noch eine dämpfende Funktion.
Aufbau und Funktion von Antriebsgelenkscheiben
Antriebsgelenkscheiben verfügen über mehrere Buchsen, die von gewickelten Fadenpaketen und Gummi umfasst sind. Über eine Schraubverbindung, Gewindebuchsen oder Steckbolzen sind die Buchsen im Wechsel mit Antriebsflansch und Abtriebsflansch verbunden. Das Drehmoment wird über die in der Antriebsgelenkscheibe liegenden Fadenpakete übertragen.
Die Fadenpakete werden dabei in Zugrichtung belastet und verhalten sich unter Belastung elastisch. Neben dem Ausgleich von Axial-, Radial- und Winkelversatz können Antriebsgelenkscheiben deshalb auch zur Drehschwingungsdämpfung verwendet werden. Der Wirkungsgrad von Antriebsgelenkscheiben ist aufgrund der zum Einsatz kommenden Fadentechnnologie besonders hoch. Diese Fadentechnologie ermöglicht die Kombination der Festigkeit von Fadenpaketen mit den Dämpfungseigenschaften von Gummi (Bild 2). Dadurch lassen sich in allen Arten von Kupplungen extrem schlanke platz-, und materialsparende Konstruktionen integrieren, die nicht nur von Vorteil für die Verringerung des Gewichts der Kupplung sind, sondern auch gute Erreichbarkeit und einfachste Wartung ermöglichen.
Das Elastomer von Antriebsgelenkscheiben übernimmt eine Stütz- und Schutzfunktion für die Fadenpakete und dient der Isolation von Geräuschen, da der Körperschall im Motor durch die Materialstruktur unterbrochen wird.
Bild 2: Schnitt durch eine Antriebsgelenkscheibe

Eigenschaften und Anwendungen von Antriebsgelenkscheiben
Drehmomente werden bei Antriebsgelenkscheiben über einen Verbund aus den in ihnen liegenden Fadenpaketen und Gummi übertragen. Auf Grund der Kombination an Materialien liegt die zulässige Spannung im Verbund von Gummi und Fäden beim etwa 15fachen dessen, was reine Gummielemente leisten können. So können auf sehr kleinem Raum sehr hohe Drehmomente problemlos übertragen werden.
Vor allem im Automobilbau haben diese Eigenschaften dazu geführt, dass die Antriebsgelenkscheibe sehr häufig zur Anbindung von Antriebswellen eingesetzt wird.
Das Bauteil funktioniert in dieser Anwendung ähnlich wie ein Gelenk, wirkt im Gegensatz zu Kreuzgelenk und homokinetischem Gelenk aber drehschwingungsdämpfend.
So werden zusätzlich Vibrationen und Körperschall breitbandig isoliert. Schallpfade werden innerhalb des Antriebsstranges unterbrochen, was die Laufruhe fördert.
Antriebsgelenkscheiben sind zudem unempfindlich gegenüber Verschmutzung und stoßartigen Belastungen. Diese Eigenschaften machen sie ideal für den Einsatz im Maschinenbau. Im Vergleich zu anderen Kupplungssystemen zeigen Antriebsgelenkscheiben hier eine extrem hohe Lebensdauer und müssen deutlich weniger häufig ersetzt werden.
Darüber hinaus sind Antriebsgelenkscheiben wartungsfrei und haben dämpfende Eigenschaften. Dies wirkt sich auch positiv auf die Lebensdauer der Anlagenteile in der direkten Umgebung aus, da ein Verschleiß durch die Dämpfung von Vibrationen und Drehmomentspitzen deutlich gemindert wird.
Anwendungen im Außenbereich von Erntemaschinen oder im Antriebsstrang von Rüttelsieben werden oft mit Antriebsgelenkscheiben ausgestattet. Hier können Antriebsgelenkscheiben ihre Vorteile gleich in mehrfacher Hinsicht ausspielen, da sowohl extreme Vibrationen als auch starke Verschmutzungen auftreten.
Bei Pumpen- und Generatorantrieben werden Antriebsgelenkscheiben sowohl als Einzelkupplung als auch in zweifacher Ausführung in Form von doppelkardanischen Systemen angewendet, um Axial-, Radial-, Winkelversatz und Montagetoleranzen der einzelnen Aggregate auszugleichen.
Zur Koppelung von Verbrennungsmotor und Hydraulikpumpen werden Antriebsgelenkscheiben oft in gesteckter Ausführung eingesetzt. Aufgrund der Kapselung des Antriebs ist ein Verschrauben nach Zusammenführen von Verbrennungsmotor und Hydraulikpumpe nicht mehr möglich.
Schon bei der Fertigung von Antriebsgelenkscheiben kann auf besondere Anforderungen an die Elemente bedingt durch Umgebung oder Einsatzgebiet problemlos eingegangen werden. Da vor allen Dingen die Fadenpakete für die Drehmomentübertragung zuständig sind, lassen sich hier viele Eigenschaften individuell an Kundenwünsche anpassen, ohne dass die Abmessungen der Bauteile verändert werden müssen.
Änderungen der Torsionssteifigkeit, der Medienbeständigkeit, der Temperaturbeständigkeit oder der Hochdrehzahlbeständigkeit sind hier typische Eigenschaften, die einer Anpassung bedürfen.
Ausführungen von Antriebsgelenkscheiben
Antriebsgelenkscheiben werden in verschiedenen Ausführungsformen gefertigt. Eine der wichtigsten Unterscheidungen erfolgt nach Art des inneren Aufbaus. Zum einen wird unter Antriebsgelenkscheiben mit Vorzugsrichtung und Antriebsgelenkscheiben für reversierenden Betrieb unterschieden.
Soll beispielsweise im Vorwärts- und Rückwärtsbetrieb einer Maschine das gleiche Drehmoment übertragen werden (Reversierbetrieb), werden Gelenkscheiben verwendet, die in beiden Drehrichtungen mit gleich starken Fadenpaketen versehen sind.
Überwiegt die Belastung in nur eine Richtung (z.B. Vorwärtsfahrt beim Automobil), wird eine Gelenkscheibe mit Vorzugsrichtung verwendet. In diesem Fall werden bei gleichem Bauraum die Fadenpakete für die Vorzugsrichtung - zu Lasten der Fadenpakete für Rückwärtsfahrt- deutlich stärker ausgeführt, so dass die Gelenkscheibe in diese Richtung höher belastbar ist und weniger Platz bedarf.
Üblicherweise werden Antriebsgelenkscheiben in 4-Loch (Bild 3), 6-Loch (Bild 4, Bild 5) - oder 8-Loch Ausführung eingesetzt, wobei die 4-Loch Variante aufgrund ihres geometrischen Aufbaus unter besonders hohen Beugewinkeln arbeiten kann und die gleiche Kinematik wie ein Kreuzgelenk aufweist.
Die maximal übertragbaren Drehmomente sind durch die Bauteilgröße begrenzt.
Sollen sehr hohe Drehmomente übertragen werden, kommen Laschenringkupplungen oder Laschenkupplungen zum Einsatz.
Bild 3: 6-Loch Gelenkscheibe mit Ringblecharmierung
Bild 4: 6-Loch Gelenkscheibe mit Bundbuchsenarmierung
Bild 5: Spezialausführung als 4-Loch Gelenkscheibe
Vorteile von Antriebsgelenkscheiben
Durch den Aufbau als Verbund-Bauteil aus Gummi und Faden ergeben sich bei Antriebsgelenkscheiben eine Reihe von vorteilhaften Eigenschaften. Besonders bedeutsam sind Wartungsfreiheit, Langlebigkeit und Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen.
Dank des zugkraftbasierten Systems von Antriebsgelenkscheiben wird im Vergleich zu anderen Kupplungssystemen, wie den zu Beginn genannten Hardy-Scheiben, nur geringer Bauraum benötigt und die Lebensdauer erhöht.
Durch die Kombination von Fadenpaketen und Gummi sowie dem speziellen Aufbau können Antriebsgelenkscheiben mehrere Funktionen im Antriebssystem übernehmen.
Im Normalfall sind dies die Drehmomentübertragung, der Ausgleich von Axial-, Radial- und Winkelversatz sowie die Schwingungsdämpfung.
Ein weiterer Vorzug von Antriebsgelenkscheiben ist der wirksame Schutz von allen nachgelagerten und benachbarten Bauteilen durch die Dämpfung von Drehmomentspitzen.
Darüber hinaus wird der Versatz aus Bauteil- und Montagetoleranzen kompensiert. Damit wird zum Beispiel das „hörbare und spürbare Brummen“ aus niederfrequenten Schwingungen durch das Ausknicken von Gelenkwellen beim Anfahren oder plötzliche Lastwechsel vermieden.
Auf Grund ihres Aufbaus, der verwendeten Technologien und angewandten Prinzipien - wie dem Zugkraft-Prinzip - ergeben sich deutliche Vorteile in der Wartung. Antriebgelenkscheiben sind sehr leicht zugänglich, lassen sich platzsparend in bestehende Systeme integrieren und haben gegenüber anderen Lösungen lange Wartungsintervalle.
Autor: Johann Löw, Roland Liessel, Oktober 2015